Risikomanagement

Risikomanagement
von Professor Dr. Ulrich Krystek und Diplom-Kauffrau Stefanie Fiege
I. Begriff und Bedeutung des Risikomanagement als Führungsaufgabe
Risiken sind untrennbar mit jeder unternehmerischen Tätigkeit verbunden und können den Prozess der Zielsetzung und Zielerreichung negativ beeinflussen. Sie resultieren ursachenbezogen aus der Unsicherheit zukünftiger Ereignisse – wobei dies regelmäßig mit einem unvollständigen Informationsstand einhergeht – und schlagen sich wirkungsbezogen in der Möglichkeit negativer Abweichungen von einer festgelegten Zielgröße nieder. Werden Risiken nicht rechtzeitig erkannt und bewältigt, können sie die erfolgreiche Weiterentwicklung der Unternehmung gefährden, sogar in Krisen im Sinn von überlebenskritischen Prozessen einmünden ( Unternehmungskrise).
Risikomanagement im weiteren Sinn beinhaltet den Umgang mit allen Risiken, die aus dem Führungsprozess und den Durchführungsprozessen in einer Unternehmung entstehen können und beschränkt sich nicht nur auf die Handhabung versicherbarer Risiken (Insurance Management). Während die Unternehmungsführung grundsätzlich die Realisierung der generellen Unternehmungsziele verfolgt, will das generelle Risikomanagement als ein Bestandteil der Führung eine Abweichung von diesen Zielen verhindern.
Die Notwendigkeit eines institutionalisierten Risikomanagement wird durch das 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) hervorgehoben. So hat der Vorstand bzw. die oberste Führung in vergleichbaren Gesellschaftsformen nach § 91 II AktG „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“. Diese Verpflichtung umfasst eine Einrichtung und den Betrieb eines Risikomanagementsystems, das sich am allgemeinen Führungsprozess orientiert und in einzelne Phasen unterteilbar ist.
II. Prozess des Risikomanagements
Grundsätzlich lassen sich die vier Phasen der Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung und Risikokontrolle unterscheiden, begleitet durch eine Risikopolitik und eine Prozessüberwachung (vgl. Abbildung „Risikomanagement – Kreislauf“).
Ausgangspunkt und zugleich Rahmen eines jeden Risikomanagement sollte die Formulierung einer unternehmungsspezifischen Risikopolitik sein. Diese Risikopolitik berücksichtigt den Sicherheitsgedanken in der Unternehmung, indem sie die Grundsätze zum Umgang mit Risiken – aber auch mit Chancen – vorgibt und sowohl auf Bereichsebene als auch auf Gesamtunternehmungsebene festlegt, in welchem Verhältnis Chancen und Risiken eingegangen werden dürfen und welche maximalen Risikoausprägungen in Kauf genommen werden sollen.
Die Phase der Risikoidentifikation umfasst die Sammlung aktueller und zukünftiger, (potenzieller und latenter) Risiken. Sie stellt dadurch den wichtigsten Schritt im Rahmen des Risikomanagement dar, denn ihr Ergebnis ist entscheidend für die in allen nachfolgenden Prozessschritten ablaufenden Tätigkeiten. Instrumente, die zur Identifikation von Risiken eingesetzt werden können, sind neben Analysen (Unternehmungsanalyse, Umfeldanalyse) und Prognosen v.a. die Frühaufklärung.
Um eine Auswirkung auf die Unternehmung abschätzen zu können, müssen die identifizierten Risiken bewertet werden. Die Bewertung erfolgt üblicherweise in den Dimensionen der Eintrittswahrscheinlichkeit (E) und der möglichen Schadenshöhe (S) bei Eintritt. Kann wegen mangelnder Datenbasis keine quantitative Einschätzung erfolgen, müssen die Risiken anhand von qualitativen Größen umschrieben werden. Eine Visualisierung mithilfe von Risikoportfolios erweist sich dabei hilfreich.
Im Rahmen der Risikosteuerung müssen Möglichkeiten gefunden werden, die eine Reaktion auf das identifizierte und bewertete Risikospektrum erlauben und gleichzeitig im Einklang mit der festgelegten Risikopolitik stehen. Durch unterschiedliche Strategien und Maßnahmen soll aktiv versucht werden, das Verhältnis von Chancen und Risiken auszutgleichen und die Risikostrategie an die Gesamtunternehmungsstrategie anzupassen. Dabei stehen einer Unternehmung grundsätzlich vier verschiedene Steuerungsmöglichkeiten zur Auswahl: Vermeidung mit gleichzeitigem Geschäftsverzicht, Verminderung, Überwälzung z.B. auf eine Versicherung oder das Selbsttragen des Risikos.
Die Risikokontrolle soll gewährleisten, dass die tatsächliche Risikosituation der Unternehmung mit der geplanten Risikoprofilsituation übereinstimmt. Zur Unterstützung der Kontrolle ist es sinnvoll, ein Berichtswesen in der Unternehmung zu implementieren, das die Risikosituation aufzeigt, die Risiken im Zeitablauf darstellt und einen Gesamtüberblick ermöglicht.
Der Prozess des Risikomanagement unterliegt einer – im KonTraG gleichfalls vorgesehenen – Überwachung, die üblicherweise von der internen Revision als neutrale Prüfungsinstanz in der Unternehmung vorgenommen wird. So wird die Qualität und Funktionsfähigkeit des Risikomanagement sowie die Adäquanz der eingesetzten Risikomanagement-Instrumente überwacht und sichergestellt.
Prozessbegleitend ist eine Risikokommunikation im Unternehmen erforderlich, die eine rechtzeitige Weiterleitung der relevanten Informationen an die jeweils Verantwortlichen sicherstellt und das Risikobewusstsein in der Unternehmung stärken soll.
III. Institutionalisierung
Risikomanagement als Institution kennzeichnet den oder die Träger dieser Führungstätigkeit. Organisatorisch kann das Risikomanagement in einer separaten (Zentral-)Abteilung oder innerhalb eines anderen Aufgabenbereichs (z.B. Controlling) verankert sein. Die letztendliche Verantwortung für das Risikomanagement bleibt jedoch zwingend bei der obersten internen und externen Führung.
Literatur: Braun, H., Risikomanagement. Eine spezifische Controllingaufgabe, Darmstadt 1984; Burger, A./ Buchhart, A., Risiko-Controlling, München, Wien 2002; Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), Drucksache 13/9712 v. 28.01.1998; Fasse, F.-W., Risk-Management im strategischen internationalen Marketing, Hamburg 1995; Füser, K./ Gleißner, W./ Meier, G., Risikomanagement (KonTraG) – Erfahrungen aus der Praxis, in: Der Betrieb, 52. Jg. (1999), S. 753–758; Hahn, D., Risiko-Management. Stand und Entwicklungstendenzen, in: ZfO, 1987, S. 137–150; Hahn, D./ Krystek, U., Früherkennungssysteme und KonTraG, in: Praxis des Risikomanagements, hrsg. v. Dörner, D./ Horváth, P./ Kagermann, H., Stuttgart 2000, S. 73–97; Horváth, P./ Gleich, R., Controlling als Teil des Risikomanagements, in: Praxis des Risikomanagements, hrsg. v. Dörner, D./ Horváth, P./ Kagermann, H., Stuttgart 2000, S. 99–126; Kromschröder, B./ Lück, W., Grundsätze risikoorientierter Unternehmensüberwachung, in: DB, 51. Jg. (1998), S. 1573–1576; Martin, T.A./ Bär, T., Grundzüge des Risikomanagements nach KonTraG: Das Risikomanagementsystem zur Krisenfrüherkennung nach § 91 II AktG, München, Wien 2002; Mikus, B., Zur Integration des Risikomanagements in den Führungsprozeß, in: ZP, 1999, S. 85–110; Pritzer, B., Risikomanagement als betriebliche Notwendigkeit, in: Das Kontroll- und Transparenzgesetz, hrsg. v. Saitz, B./ Braun, F., Wiesbaden 1999, S. 145–167; Wall, F., Betriebswirtschaftliches Risikomanagement im Lichte des KonTraG, in: Risikomanagement nach dem KonTraG, hrsg. v. Lange, K.W./ Wall, F., München 2001, S. 207–235; Weber, J./ Weißenberger, B./ Liekweg, A., Risk Tracking and Reporting: Unternehmerisches Chancen- und Risikomanagement nach dem KonTraG, Reihe Advanced Controlling, Band 11, Vallendar 1999. Literatursuche zu "Risikomanagement" auf www.gabler.de

Lexikon der Economics. 2013.

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